Was ist ein Plagiat?

Warum die Plagiatsvorwürfe der Arbeitsministerin Aschbacher zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt erhoben wurden?

Direkt, als die ersten Zweifel verlautbart wurden dachte ich mir, dass dies ein wirklich ungünstiger Moment ist, wissenschaftliche Arbeit (nach außen) abzuwerten bzw. dass so ein Skandal auftritt. Nun, der Zeitpunkt für Plagiatsvorwürfe ist immer schlecht, insbesondere für den*die Beschuldigte*n, solange sich die Person noch in der Beweisführungsphase befindet. Nachdem aber die derzeitige Stimmung im Land und auch in vielen weiteren Ländern von starkem Zweifel an Wissenschaft und von Faktenresistenz geprägt ist, Expert*innen vielerorts nicht ernst genommen werden und jegliche Arbeit von Fachleuten negiert wird, traf mich diese Neuigkeit stark (jeder Einzelfall ist einer zu viel!). Andererseits zeigt die Diskussion auch, dass solche Fälle Einzelfälle sind und sehr hart bestraft werden, weil das eine unfassbare Dreistigkeit darstellt.

Augenringe, konzentrierter Blick, „eckige Augen“. So sehen Forschende aus. Forschung ist harte geistige Arbeit.

Abseits vom Ärger, den mich und viele meiner Kommiliton*innen, die sich im Studium abmühen, überfiel, betrachte ich die Ereignisse auch mit einer gewissen Sorge. Ich denke es ist wichtig zu erklären, wie im Normalfall eine wissenschaftliche Arbeit überprüft wird und warum ein Plagiat, so ein schweres Vergehen ist. Die Folgen, die solche Vorwürfe mit sich ziehen, sind meistens sehr drastisch, was auch den Rücktritt der Ministerin erklärt. Dennoch muss man, wie bei jedem und jeder „Angeklagten“ in einem Rechtsstaat dazu sagen, dass bis zum Urteil, die Unschuldsvermutung gilt. Mein Artikel soll daher kein „Aschbacher-Bashing“ darstellen, sondern einerseits erklären, was mit einem Plagiat gemeint ist (Teil 1), sowie verdeutlichen warum diese verheerend sind (Teil 2).

Plagi-was?

Ein Plagiat ist eine „Kopie“ einer Idee, das Abschreiben von Gedankengängen einer anderen Person bzw. auch die wortwörtliche Übersetzung von Texten in eine andere Sprache, mit dem man sich so darstellt, als hätte man diese Ansichten selbst erzeugt. Wenn man diese Textstellen jedoch nach „guter wissenschaftlicher Praxis“ zitiert, ist dies Teil einer wissenschaftlichen Analyse. Es macht einen Unterschied, ob ich in meiner Masterarbeit schreibe, dass Herr Jones (2015) und sein Team (siehe unten) einen Vorgang auf EU-Ebene beschrieben, den sie „fehlerhaftes Vorwärtsstolpern“ nennen (und hier die Seitenzahl angebe), oder ob ich schreibe: „Meine Arbeit zeigt auf, dass die EU vom fehlerhaften Vorwärtsstolpern geprägt ist“. Im zweiten Fall klingt es so, als hätte ich diesen Begriff erfunden und als wäre es meine Idee eine Dynamik auf EU-Ebene so zu beschreiben. Dadurch würde ich die Arbeit von anderen Personen stehlen. Einfacher gesagt, alles was man nicht selbst erfunden/rausgefunden hat, alles das man wörtlich oder indirekt abschreibt, alles was man einfach in eine andere Sprache übersetzt, ist ein Plagiat, wenn man es ohne Quellenangabe als eigene Forschung präsentiert.

Wenn man richtig zitiert, beschreibt man, welche Ideen oder Erkenntnisse andere Wissenschaftler*innen bisher hatten und welche Forschungsergebnisse diese hervorbrachten. Es stimmt einfach nicht zu schreiben: „Die Ergebnisse zeigten, dass die EU nach vorne stolpert“, ganz einfach, weil dies nicht MEINE Ergebnisse sind, sondern die von den Wissenschaftler*innen Jones, Kelemen und Meunier (2015). Es ist ebenfalls ein Plagiat, wenn ich den Originalbegriff von Jones und seinen Leuten „Failing forward“ einfach auf Deutsch übersetze und so tue, als wäre es meine begriffliche Erfindung. Hierbei geht es um ein wichtiges Forschungsergebnis, und dieses war nicht meines.

Hier ist ein Beispiel einer wissenschaftlichen Quelle: Jones, Erik / Kelemen, R. Daniel / Meunier, Sophie (2015). Failing Forward? The Euro Crisis and the Incomplete Nature of European Integration, in: Comparative Political Studies 49(7), pp. 1010-1034.

Das wissenschaftliche Journal, in dem die Arbeit publiziert wurde heißt „Comperative Political Studies“. Personen, die in diesem Bereich forschen, können mit der genauen Seitenangabe und der Journalausgabe genau nachprüfen, wo dieses Argument steht und wie die Forscher*innen dazu kamen.

Das hört sich vielleicht kompliziert an und das ist auch der Grund, warum üblicherweise eine Arbeit für die Universität nicht in kurzer Zeit geschrieben werden kann, es sei dann man arbeitet Tag und Nacht. Arbeiten, die auf geisterhafte Weise innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen produziert werden, sind meistens das Werk sogenannter „Ghost-Writer“. Das sind Leute, die gegen Geld wissenschaftliche Arbeiten verfassen. Tut man so etwas, „erschleicht“ man sich einen Abschluss und somit einen universitären Titel, und das ist höchst illegal und führt in den meisten aufgedeckten Fällen zur Aberkennung des Titels, sowie manchmal auch zur universitären Sperrung und/oder weiteren Strafen, wie Geld- oder sogar Haftstrafen.

Auch wenn man Tag und Nacht arbeitet, kommt man nicht immer gut voran, wenn man eine gute wissenschaftliche Praxis einhält.

An den meisten mir bekannten Universitäten werden mittlerweile Plagiatssoftwares genutzt, um selbst bei kleineren Übungsarbeiten während des Studiums überprüft zu werden. An der Universität Wien gab es seit 2005 übrigens 50 Plagiatsverfahren, wovon 15 Verfahren eingestellt wurden. Anhand dieser Zahl sieht man, dass Plagiatsverfahren sehr selten sind (im Vergleich dazu: von der Uni Wien absolvieren jährlich (!) 10.000 Personen).

Im zweiten Teil erläutere ich, was man unter dem wissenschaftlichen Ethos versteht und warum Plagiate ein No-Go sind.

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