Elisabeth Daniela Weissitsch
Derzeit geht es (psychisch) allen schlecht, die ich kenne. Alle sitzen alleine und traurig zu Hause, die allgemeine Corona-Ermüdung wird auch von den grauen Nebelschwaden, die man durch das Fenster erahnen kann, nicht besser. Jede*r ist auf irgendeine Art mehr oder weniger von den Einschränkungen betroffen. Es sind die Zukunftsängste einer ganzen Generation, es sind die Abschlussprüfungen und versäumten Lehrinhalte in Schulen, es sind die verlorenen Jobs oder die Halb-Lösungen, es sind Studienjahre, die einfach verfließen („die beste Zeit des Lebens“), es sind Forschungen, die ohne Labor nicht funktionieren oder Uni-Arbeiten, die sich von zu Hause nicht gut bearbeiten lassen, es sind die Schikanen um „Härtefallfonds“, die vergessenen Künstler*innen oder Nachtlokalbesitzer*innen, es sind die unmöglichen Situationen für medizinisches- oder Bildungspersonal.
Es sind aber auch die Kleinigkeiten, die nicht existentiell bedrohen, die derzeit zur Traurigkeit führen: ob man sonst mit Bekannten Kekse gegessen hat, hübsche Geschenkspackerln gemacht hat oder sich auf’s Schifahren gefreut hat, auch diese Einschränkungen tun irgendwie weh und alle haben da unterschiedliche Verluste.
Der Großteil der Bevölkerung leidet still und hat die Sinnhaftigkeit bestimmter Maßnahmen bzw. den Ernst der Lage verstanden und angenommen. Selbstverständlich gibt es die unterschiedlichen Ärgernisse über einzelne Maßnahmen der Regierung, Kopfschütteln über manche „Sager“ und die allgemeine Ungeduld, „wann das endlich vorbei ist“.
Ich habe zur Zeit das dringende Bedürfnis alle aufzumuntern, obwohl ich selbst ziemlich hadere.
„i bin seltsam ratlos, kann nur sagen, dass i des kenn“
STS
Das Einzige, das mich derzeit motiviert, ist nach vorne zu sehen und zu wissen, dass ich zu Weihnachten meine Familie endlich wieder sehen kann. Es sind die kleinen Ziele, die einen durch Krisenzeiten helfen, wie ein kleiner Affe, der sich von Liane zu Liane schwingt. Ich weiß nicht, wann die verschobene Operation nachgeholt werden kann, ob ich stabil genug für eine Impfung sein werde und wann ich meinen Abschluss schaffe. Aber jetzt kommt als kleines, nächstes Ziel: Weihnachten. Ich bin so unglaublich dankbar, dass sich meine nahestehenden Menschen noch mehr als sonst zurücknehmen, damit man mir heuer das allerschönste Weihnachtsgeschenk machen kann: eine (möglichst risikofreie) Umarmung von meinen Familienmitgliedern…
Ich könnte auch ziemlich sudern, nach dem wirklich viel schlimmeren Jahr 2019, einem furchtbaren Frühjahr 2020 und einem sehr, sehr einsamen Sommer und Herbst, bin ich endlich gesundheitlich so weit am Weg der Besserung, dass ich mit Freundinnen wieder Kaffee trinken gehen „könnte“, Bars unsicher machen „könnte“ und vielleicht endlich mal ein bisserl mehr von meinem geliebten Wien erspähen „könnte“. Ich habe schon so viele, so lange andauernde Krisen in meinem Leben aushalten müssen, dass ich mich selbst oft frage, woher ich immer noch Motivation nehme. Ich weiß nicht, ob ich einem*einer von euch ein wenig Mut mit einer Geschichte aus meinem Leben verschaffen kann, aber ich versuch’s.
Ich erinnere mich an eine Situation, als ich 7 Jahre alt war und gerade aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen bin. Ich bin in meinem Kinderzimmer auf einer Leiter gesessen (weil die Aussicht von oben so toll war!) und hab das Lied „Wieder a Sommer“ von STS in Dauerschleife gehört.
„Die schlimmste Zeit verliert ihr’n Druck, wenn i ma kloa mach, es kummt a bessere“.
STS
Ich weiß nicht, was damals im Krankenhaus war, warum ich so traurig war und diese Liedzeilen gebraucht habe, aber vermutlich reichte es für ein 7-jähriges Kind so etwas wie einen „Krankenhausalltag“ überhaupt zu kennen… Ich habe mir damals gedacht, dass das Lied, wo „du sagst es is grausam“, von etwas noch Schlimmeren handeln muss; so schlimm, dass „mein Gesicht fast zerspringt“, war es bei mir dann nicht, dachte ich mir damals. Diese Person, die beim Kaffeetrinken „gegenüber sitzt“, hat mir sehr leid getan. Und STS haben gesungen: „es kummt wieder a Summa und der fangt di dann auf“. Sommer habe ich immer geliebt, da ging es mir meistens besser und ich wusste ja 10 Monate im Jahr, dass wieder ein Sommer kommt.
Meine Sommermomente „retten“ mich teilweise jetzt noch über’s Jahr bzw. durch Tiefs. Nicht umsonst, betone ich immer wieder meine „Schlauchboot-Rhetorik“, es geht um das Weitermachen, das Sich-selbst-immer-wieder-neu-erfinden, das Adaptieren und Lösungen suchen, Umstrukturieren und das Durchhalten.
Ich weiß nicht, wann bei mir „die schlimmste Zeit ihr’n Druck verliert“, aber ich weiß, dass ich durch meine Krankheiten in den letzten Jahren irgendwann nicht mehr an den „nächsten Sommer“ geglaubt habe. Ich habe mich dann immer wieder vor die Wahl gestellt: alles hinschmeißen, Ausbildung abbrechen, auf ewig traurig sein, oder weiter, weiter, weiter und an den winzigen Momenten festhalten…
Die Momente zur Zeit sind für alle winzig, grau und selten. Aber das ist der einzige Weg, um Krisen zu überstehen. „Man muas wann was feststeckt, sich was Neigs überlegen“ und die Lösung für einen selbst, „die wird ihr Zeit brauchen, aber sie kummt hab ka Angst“, weil
„Es kummt wieder a Sommer und der fangt die dann auf“.
STS